BOCHUM. Für jede Menge Diskussionsstoff sorgt die im kürzlich verabschiedeten Krankenhauszukunftsgesetz geregelte Coronaprämie für Pflegekräfte und andere Beschäftigte in Krankenhäusern. Das Konzept hierzu hatten GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) entwickelt. „Die Auszahlung der Prämie ist an viele Bedingungen zum Nachteil von uns Pflegenden geknüpft. Solche Bedingungen hat es bei der Coronaprämie in der Altenpflege nicht gegeben“, bemängelt Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegegewerkschaft BochumerBund. Er ist als Krankenpfleger in einem Essener Krankenhaus selbst betroffen.
Die zur Verfügung stehenden 100 Millionen Euro sollen an lediglich 100.000 in Krankenhäusern tätige Pflegepersonen sowie an weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeschüttet werden. Entscheidend für die Auszahlung ist die Anzahl der nachgewiesenen Covid-19-Fälle in einer Klinik. Aus der Antwort auf eine Anfrage an die Bundesregierung geht hervor, dass nur 27,3 % aller deutschen Kliniken diese Voraussetzung erfüllen
„Die Beschäftigten der restlichen 72,7 % aller deutschen Kliniken, die ebenso CoVid-19-Patientinnen und -Patienten aufgenommen und versorgt haben, werden demnach nichts von der Prämie erhalten“, kritisiert Jäger. „Infolgedessen profitiert lediglich ein Bruchteil aller in den Krankenhäusern Pflegenden.“ Ganz anders übrigens bei Soldatinnen und Soldaten sowie bei Bundesbeamtinnen und -beamten: Sie erhalten ausnahmslos eine Corona-Sonderzahlung von bis zu 600 Euro. „Ich kenne niemanden aus der Pflege, der dies nachvollziehen kann“, so Jäger. „Wir kämpfen um Leben und nicht gegen Langeweile – dafür ist offenkundig nicht so viel Geld übrig.“
Außerdem übt die Pflegegewerkschaft Kritik daran, dass der Gesetzgeber dem Krankenhausträger und der Mitarbeitervertretung aufbürdet, die Auswahl der anspruchsberechtigten Pflegekräfte und die Definition der Prämienhöhe vorzunehmen. Erzielen beide Seiten keine Einigung, ist das Geld zurückzuzahlen.
„Diese Regelungen belegen das mangelnde Fingerspitzengefühl der Verantwortlichen. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist die fehlende Anerkennung frustrierend, und sie heizt deren Unmut weiter an“, so der Gewerkschaftsvorsitzende. „Warum wurde niemals über einen anerkennenden Bonus für alle beruflich Pflegenden gesprochen – und zwar mit uns Pflegenden und nicht über unsere Köpfe hinweg?“
Dabei erhoffen Pflegekräfte seit langem Wertschätzung für die Belastungen, die sie nicht nur Corona-bedingt zu tragen haben. So sind Pflegende erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen sowie einer erhöhten Ansteckungsgefahr bei der Versorgung von Menschen mit Covid-19 ausgesetzt. Nicht zuletzt durch die Pandemie ist zwar vielen Bürgerinnen und Bürgern bewusst geworden, dass Pflege unverzichtbar und „systemrelevant“ ist. „Die Zahl der warmen Worte übersteigt die Zahl der positiven Taten für uns Pflegende leider deutlich“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Pflegegewerkschaft BochumerBund.
Auch die Verhandlungsergebnisse der unlängst abgeschlossenen Tarifrunde 2020 für den öffentlichen Dienst sieht die Pflegegewerkschaft nicht ausschließlich positiv. So wurde ein Coronabonus für die Pflege ausgehandelt, der jedoch nach Entgeltstufen gestaffelt ist. Ausgerechnet die Fachkrankenpflege, die auf den Intensivstationen um das Leben von Covid-19-Patienten kämpft und damit einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung dieser Pandemie leistet, wird benachteiligt.
Die Fachkrankenpflegenden stehen bereits in der Entgeltstufe P9. Nun sollen sie statt 600 Euro – wie die Entgeltstufen P2 bis P8 – nur 400 Euro (P9a – P12) erhalten. „Das ist nicht gerecht!“, findet Benjamin Jäger. „Aufgrund ihrer Entgeltstufe bekommen sie nicht die Anerkennung, die sie verdienen.“ Dabei sollte der Bonus nach Überzeugung der Pflegegewerkschaft der gesamten Pflege am Bett zu Gute kommen: „Und zwar auch den weitergebildeten Fachpflegekräften, die aufgrund ihrer besonderen Expertise die Qualität der Patientenversorgung hochhalten und die Pandemie an vorderster Stelle mitbekämpfen.“
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte 2020 zum „Jahr der Pflegenden und Hebammen“ ausgerufen. Mit diesem wollte sie die Rolle der Pflege im Gesundheitssystem hervorheben. Das Ansinnen ist jedoch angesichts der Pandemie in den Hintergrund getreten. „Ausgerechnet in diesem Jahr muss die Pflege immer wieder zurückstecken. Dabei sind die Pflegenden wichtiger denn je“, unterstreicht Jäger.