Es ist noch keine zwei Wochen her, dass der Streik der Pflegenden in Nordrhein-Westfalen (NRW) beigelegt wurde. Nun sollen im benachbarten Hessen Covid positive Pflegekräfte arbeiten gehen. 

Dass in der Pflegebranche ein massiver Notstand herrscht, ist nicht erst seit gestern bekannt. Seit Beginn der Corona-Pandemie dürfte diese Krise jedoch niemandem mehr unbekannt sein. Dennoch scheint das Wegschauen von Medien, Gesellschaft und besonders der Politik noch immer der Weg der Wahl zu sein. Auf Grund der vielen krankheitsbedingt ausgefallenen Pflegekräfte ist die Gesundheitsversorgung im Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) momentan anscheinend nicht mehr gewährleistet. 

Das UKGM entschied sich deshalb am 27. Juli für den Einsatz von Pflegenden, die positiv auf Corona getestet wurden. Dies geht aus einem, aus unserer Sicht skandalösen, Schreiben an die MitarbeiterInnen hervor, von dem die Gießener Allgemeine Zeitung als erste berichtete. Die Entscheidung obliege dabei den Pflegenden, ob sie weiterhin arbeiten, so heißt es.

Dass der Druck weiterzuarbeiten verstärkt wird, liegt auf der Hand. Einerseits von außen, andererseits aber auch von jedem selbst, weil niemand seine KollegInnen im Stich lassen möchte. 

Ins gleiche Horn bläst der Vorstandsvorsitzende des UKSH in Schleswig-Holstein, Herr Jens Scholz: ”Wir müssen zu viele Mitarbeitende in Quarantäne schicken, die zwar einen positiven Test haben, sich aber gut fühlen, nicht mehr infektiös sind und eigentlich arbeiten gehen könnten. Dies gefährdet die Versorgung unserer Patienten, zum Beispiel bei Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs.“

Dabei vergessen wird, dass die Versorgung der PatientInnen nicht durch arbeitsunwillige Pflegekräfte, sondern durch ein jahrzehntelanges Versagen der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik nicht mehr gewährleistet ist.

Eine große Gefahr für die besonders vulnerablen PatientInnen, aber auch für die Pflegenden selbst, denn auch sie bleiben vor Long-Covid Symptomen und schweren Verläufen nicht verschont. Andreas Gonschorek, Chefarzt im BG Klinikum Hamburg und dort für die Long-Covid Versorgung zuständig, schätzt die Zahl der Personen aus dem Gesundheitswesen, die deshalb Unterstützung benötigen, auf 5000. 

Die WHO gab im Oktober 2021 die Zahl der an Covid verstorbenen Pflegekräfte mit weltweit 115.000 an. Deprimierende Zahlen, insbesondere wenn das Recht der Pflegenden auf körperliche Unversehrtheit hinten ansteht und die Ausbeutung ihrer Arbeit weiter verstärkt wird.

Es braucht daher ein klares Nein gegen Notfallmaßnahmen wie den Einsatz von Covid positiven Pflegekräften. 

Die einzig möglichen kurzfristigen Maßnahmen, wenn es nicht genügend Personal gibt, sind das Sperren von Betten und Stationen. Langfristig muss überlegt werden, ob alle Interventionen immer zwangsläufig und in dieser Häufigkeit in einem Krankenhaus zu geschehen haben. 

Hier verweisen wir als Pflegegewerkschaft auf die Remonstrationspflicht, die jedem Angestellten obliegt. Niemand muss Anweisungen befolgen, durch deren Ausführung man selbst oder die uns Anvertrauten in Gefahr gebracht werden. Unsere Gewerkschaftsmitglieder können sich durch die durch uns abgeschlossene Arbeitsrechtsschutzversicherung beraten und vertreten lassen.

Wer infiziert ist, sollte sich krank schreiben lassen und solange zuhause bleiben, bis die alte Leistungsfähigkeit wieder erreicht ist. Nur so werden alle geschützt.

Es steht fest: Ohne Personal keine Versorgung. Dass Züge nicht fahren, wenn es keine Lokführer gibt, ist jedem klar, nun muss deutlich werden, dass PatientInnen nicht versorgt werden können, wenn es keine Pflegekräfte gibt. 

Ein gemeinsames Vorgehen aller Pflegekräfte ist unumgänglich. Dafür braucht es eine gute gewerkschaftliche Organisation und die Unterstützung von Protesten seitens der Medien und der Bevölkerung. 

Der BochumerBund arbeitet deshalb seit 2020 als Gewerkschaft nur für Pflegende in Deutschland daran, Probleme aufzuzeigen und für Verbesserungen zu kämpfen. Um diese Ziele zu erreichen, ist es jedoch wichtig, dass sich möglichst viele Pflegende zusammenschließen und eine breite gesellschaftliche Unterstützung gesichert ist.