BOCHUM. Mit dem BochumerBund hat sich eine neue Gewerkschaft gegründet, die sich ausschließlich für die Belange der beruflich Pflegenden einsetzt. Auf der coronabedingt virtuell stattfindenden Gründungsversammlung haben die Mitglieder u. a. einen Vorstand gewählt sowie neben Gründungserklärung und Abgrenzungsbeschluss gegen Rechts ihre Satzung verabschiedet. Der zum Vorstandsvorsitzenden gewählte Gesundheits- und Krankenpfleger Benjamin Jäger aus Witten betonte: “Wir schreiben mit dem BochumerBund Pflegeberufsgeschichte.” Der Bedeutung angemessen und nicht ohne Hintersinn fand die Gründungsversammlung am 12. Mai 2020 statt: Bei diesem Datum handelt es sich um den international begangenen Tag der Pflegenden.
Jäger verwies in seiner Rede auf den in Deutschland traditionell sehr niedrigen Organisationsgrad unter professionellen Pflegekräften, sei es in Berufsverbänden oder in den bestehenden, aus Sicht des BochumerBunds im Bereich der Pflege oft erfolglos agierenden Gewerkschaften: “Höchstens 10 Prozent unserer Berufsgruppe haben sich bislang organisiert. Wir als BochumerBund sind angetreten, um die wichtigste und zahlenmäßig größte Berufsgruppe nicht nicht nur im Gesundheitswesen, sondern in der gesamten Gesellschaft zu stärken.” Der Gewerkschaftsvorsitzende sagte weiter: “Wir Pflegenden sind in der Tat systemrelevant. Und daher will sich der BochumerBund für unsere Berufsgruppe als starke und gewichtige Stimme gegenüber Politik, Gesellschaft und nicht zuletzt Arbeitgebern etablieren.”
Optimistisch stimmen ihn die vielen positiven Rückmeldungen aus der Pflege zur Gewerkschaftsgründung. Zu den Unterstützern zählen neben zahlreichen Pflegenden diverse bedeutende Vertreterinnen und Vertreter der Profession, beispielsweise von den Landespflegekammern sowie von der Initiative “Pflege in Bewegung”. Denn ohne Rückhalt geht es nicht: “Wir wollen ein starkes Netzwerk aufbauen, zum Beispiel mit den bislang drei Pflegekammern, der Bundespflegekammer und den Berufsverbänden.”
Der Schritt einer Gewerkschaftsgründung ist nach Ansicht der BochumerBund-Mitglieder dringend geboten. Denn die Folgen der schwachen Selbstorganisation der beruflich Pflegenden sind spätestens vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie offenkundig geworden. Sie äußern sich u. a. in nicht-angemessener Bezahlung, in schlechten Arbeitsbedingungen und in der Nicht-Einbeziehung pflegerischer Expertise beispielsweise in den Corona-Krisenstäben, aber auch in Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss, der das deutsche Gesundheitswesen maßgeblich mitbestimmt.
“Der BochumerBund wird für mehr Tarifverträge kämpfen, insbesondere in kleineren Einrichtungen”, kündigte der Vorstandsvorsitzende Benjamin Jäger an. “Hier können wir Pflegende uns mit unseren Erfahrungen einbringen. Denn wir alle kennen die Bedingungen in den Krankenhäusern, in den Heimen, in den ambulanten Diensten, in der Tagespflege, in den Rehakliniken etc. aus unserer täglichen Arbeit.” Die auf der Gründungsversammlung gewählte Tarifkommission mit Jörg Benter und Hubert Biniak an der Spitze soll entsprechende Konzepte bzw. Forderungen vorbereiten.
Die Vorstandswahlen bildeten einen der zentralen Tagesordnungspunkte auf der virtuellen Zusammenkunft. Neben Benjamin Jäger setzt sich der erste Vorstand der Pflegegewerkschaft BochumerBund aus folgenden Pflegenden zusammen: Heide Schneider und Florian Geske (stellvertretende Vorsitzende), Lukas Böckenholt (Finanzen) sowie Jürgen Drebes, Martina Kausch, Christian Lellinger und Okay Över (Beisitzer).
In der von den Mitgliedern verabschiedeten Gründungserklärung bezeichnet sich der BochumerBund als ausschließlich dem Berufsstand verpflichtete, politisch unabhängige und von den Pflegepersonen selbst organisierte und verwaltete Gewerkschaft. In dieser Erklärung spricht sich der BochumerBund u. a. für Pflegekammern als bedeutende Interessenvertretungen der Pflegefachpersonen, für einen höheren Stellenwert der Pflegeausbildung sowie für eine verstärkte Akademisierung der Pflege aus. Der BochumerBund sieht die pflegerische Versorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden darf. Die Arbeit von Pflegenden muss auf Augenhöhe mit den anderen Professionen im Gesundheitswesen erfolgen. Pflegeforschung und -praxis sollen stärker als bislang miteinander verzahnt werden.
In einem Abgrenzungsbeschluss distanzieren sich die bislang rund 200 Mitglieder des BochumerBunds von Parteien, Vereinen, Vereinigungen und sonstigen Organisationen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands in Frage stellen oder nicht anerkennen. Die Pflegegewerkschaft wendet sich damit beispielsweise gegen rassistische, antisemitische, homophobe, islamophobe, geschichtsrevisionistische oder menschenverachtende Ideologien oder Meinungen. Hass, Hetze, Lügen und Gewalt in jedweder Form lehnt der BochumerBund als Mittel der Auseinandersetzung ab.
Die Pflegegewerkschaft BochumerBund ist aus dem gleichnamigen, 2017 gegründeten Verein hervorgangen. Dieser Verein ist mit der Gewerkschaftsgründung aufgelöst worden.
Weitere Informationen stehen unter www.bochumerbund.de bereit. Auf der Seite lässt sich die Mitgliedschaft beantragen. Der Beitrag ist bewusst niedrig gehalten. Eine im Beitrag enthaltene Rechtschutzversicherung ist in Vorbereitung. Auch Fördermitgliedschaften sind möglich.