BOCHUM. Nur zwei Monate, nachdem sie am 1. Januar 2020 in Kraft getreten war, wurde die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie bereits wieder außer Kraft gesetzt. Dieses Vorgehen hat viele Pflegekräfte entsetzt: „Etliche Kolleginnen und Kollegen haben sich wie Kanonenfutter gefühlt“, so Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegegewerkschaft BochumerBund. Nun soll zum 1. August 2020 die PpUGV teilweise wieder in Kraft gesetzt werden – für die Pflegenden auf den Intensivstationen und in der Geriatrie.
„Wir als Pflegegewerkschaft fordern, dass die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung umgehend in allen anfangs festgelegten Krankenhausbereichen wieder eingesetzt wird. Außerdem muss sie auf sämtliche anderen Bereiche ausgeweitet werden. Denn jeder Mensch hat ein Recht auf eine gute und würdevolle Pflege – und die ist ohne PpUGV nicht möglich“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende des BochumerBunds. “Und wir Pflegenden haben ein Recht auf vernünftige Arbeitsbedingungen.”
Ohnehin sieht er bei den Regelungen der PpUGV noch deutlich Luft nach oben: “Die Personaluntergrenzen sind ein guter Anfang, aber der reale Bedarf an Pflegekräften liegt höher als in den Grenzen festgelegt. Die Pflegenden müssen bei der Bedarfsfeststellung zwingend eingebunden werden. Wir sind schließlich die Expertinnen und Experten.”
Jäger hat als Gesundheits- und Krankenpfleger die teils katastrophalen Folgen selbst erlebt: „Nach Aussetzung der PpUGV waren wir Pflegekräfte dem Ansturm auf die Krankenhäuser im Zuge der Pandemie hilflos ausgesetzt. Wir hatten damit keine gesetzliche Handhabe mehr, um uns vor Überforderung zu schützen. Ein fatales Signal der Politik, das unser Vertrauen nicht nur in die Bundesregierung massiv geschädigt hat.“
Dies ist selbst dem Bundesgesundheitsminister aufgefallen. So sagte Jens Spahn im ARD-„Morgenmagazin“: „Es gibt einen massiven Vertrauensverlust in der Pflege.“ Und weiter: „Die glauben immer noch nicht wirklich daran, dass wir etwas ändern wollen.“
„Wie sollen wir denn auch?“, fragt sich der BochumerBund-Vorsitzende Benjamin Jäger. „Der Pflegeberuf ist wieder einmal zum Spielball der Politik geworden. Die Bundesregierung hat eine Verordnung zum Schutz von Pflegekräften und Patienten erlassen und diese dann in Rekordzeit wieder verworfen. Das werten wir als aktive Gefährdung von Menschenleben. Dass nun das Vertrauen der Pflegekräfte in die Politik schwindet, hat sie selbst zu verantworten.“
Darüber hinaus haben seiner Einschätzung nach die Krankenhausträger keinerlei Interesse an einer Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung. „Für sie ist die Pflege einfach nur ein erheblicher Kostenfaktor“, erklärt Jäger. Denn ist die Untergrenze an Pflegekräften erreicht, muss ein Krankenhaus entweder Betten sperren oder mehr Pflegekräfte einstellen bzw. ausbilden: „Damit machen sie ein Minusgeschäft.
Bei der PpUGV handelt es sich um ein Personalbemessungsinstrument in pflegeintensiven Bereichen. Zu diesen zählen Geriatrie, Intensivmedizin, Kardiologie, Unfallchirurgie, Herzchirurgie, Neurologie, Neurologie/Schlaganfall-Einheit und neurologische Frührehabilitation. Die PpUGV legt beispielsweise fest, dass eine Pflegekraft auf einer Intensivstation im Tagdienst für maximal 2,5 Patienten und im Nachtdienst für 3,5 Patienten die Verantwortung trägt und deren Aufenthalte im Krankenhaus koordinieren muss.