BOCHUM.- Die Pflegegewerkschaft BochumerBund (BB) mahnt an, die Ausbildung zu qualifizierten Pflegefachpersonen gerade während der Corona-Pandemie nicht zu vernachlässigen. Denn auch nach der Pflegeausbildungsreform mit Einführung der Generalistik sind die Bedingungen rund um die Ausbildung von Pflegefachkräften nicht merklich besser geworden – eher im Gegenteil. „Eine Nachbesserung vor allem im praktischen Ausbildungsbereich ist daher zwingend erforderlich, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen“, betont Manuela Konrath, Fachkrankenschwester für den Operationsdienst und BB-Aktive.
Daher fordert die Pflegegewerkschaft zur Stärkung einer professionellen Praxisanleitung das verpflichtende Führen von Tätigkeits- und Ausbildungsnachweisen. Zu den Forderungen zählen darüber hinaus:
1. Ermittlung und Festlegung des erforderlichen Zeitbedarfs: Derzeit sind nach § 6 Abs. 3 des Pflegeberufegesetzes (PflBG) sowie § 4 Abs. 1 der Pflegeberufe- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrv) lediglich mindestens zehn Prozent der während eines Einsatzes zu leistenden praktischen Ausbildungszeit vorgegeben.
2. Entsprechende Kontrollen durch Dritte, z. B. durch die Leitung der Pflegeschule oder die zuständige Schulbehörde.
3. regelmäßige Reflexionsgespräche mit der Praxisanleitung, zum Beispiel zu physischen und psychischen Belastungen
4. Freiplanung, sprich die Exkludierung von Auszubildenden und Praxisanleiterinnen und -leitern aus den Dienstplänen, um eine gezielte Praxisanleitung zu ermöglichen.
5. geregelte Freistellung der Praxisanleitung, prozentual nach Klassenstärke der Ausbildungsstätten: Hier sollte, wie im Berufsbildungsgesetz (BBiG) festgelegt, eine bestimmte Anzahl an Praxisanleitenden zur Verfügung stehen. Idealerweise sollte das Verhältnis 16:1 betragen.
6. Sanktionen gegen Einrichtungen bei Verstößen gegen die Vorgaben.
7. Die Examinierung muss durch Pflegeexpertinnen und -experten erfolgen und nicht wie derzeit in der Krankenpflege durch Medizinerinnen und Mediziner. Auch wenn die Ausbildung in einem interprofessionellen Kontext stattfindet, sollten Fachfremde nicht den Vorsitz der Prüfungskommission übernehmen. Dieser muss der Pflege selbst vorbehalten sein.
Weder das Pflegeberufegesetz noch die Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung enthalten zur Praxisanleitung verbindliche Vorgaben, die eine qualitativ hochwertige Durchführung und Evaluation der praktischen Ausbildung sicherstellen. Der BochumerBund hält jedoch entsprechende Rechte und Pflichten der Auszubildenden, der Praxisanleiterinnen und -anleiter sowie der Ausbildungsstätte für zwingend erforderlich.
Diverse Entwicklungen haben zu dramatischen Bedingungen auch in der Ausbildung von Pflegefachleuten geführt. Hierzu zählen ein jahrzehntelanges Geringschätzen und Abwerten der beruflich Pflegenden und der daraus resultierende Ausstieg aus dem Pflegeberuf („Pflexit“). Auch das Stopfen personeller Engpässe durch Hilfskräfte, das Fehlen von prüfenden und regelnden Standesvertretungen wie Pflegekammern und nicht zuletzt der geringe gewerkschaftliche Organisationsgrad von Pflegenden spielen in diesem Kontext eine Rolle.
Wie es um die Ausgestaltung der Pflegeausbildung hierzulande nicht erst seit Pandemiezeiten aussieht, zeigen zahlreiche Beispiele aus der Praxis. Nach Beobachtungen von Manuela Konrath ist in Diensten auf peripheren Stationen oftmals nur eine examinierte Pflegekraft zu finden. Der „Rest“ müsse mit Auszubildenden und Hilfskräften aufgestockt werden. Sind in den Funktionsdiensten wie OP-Abteilungen Auszubildende als volle Kraft in der Saaleinteilung eingeplant, dann gehe es ausschließlich um die Anzahl der Köpfe auf dem Dienstplan. Konrath weiter: „Wenn es am Ende auch noch an Hilfskräften mangelt, deren Arbeit auf die Auszubildenden verteilt wird, steht zu befürchten, dass wir ,examinierte Hilfskräfte’ ausbilden.“
Die Gewerkschafterin ergänzt: „Auszubildende erwerben keine Sicherheit bei ihren komplexen Tätigkeiten, wenn sie ausschließlich Personallöcher stopfen. Außerdem sind die Erledigung von Hilfs- und Reinigungsdiensten in keiner Weise die Ansprüche, die wir an unsere Profession stellen.“ Auch eine professionelle, konzeptionelle und geplante Anleitung und Überprüfung unterbleiben viel zu häufig. Zu den Folgen zählen eine ständige Unter- oder Überforderung, ein hohes Maß an Frustration auf Seiten der Auszubildenden und der ausbildenden Personen sowie im schlimmsten Fall ein Abbruch der Ausbildung.
Statistiken untermauern Konraths Beobachtungen: „Es verwundert angesichts der Zustände nicht, dass die durchschnittliche Verweildauer von Pflegefachleuten in ihrem gewählten Beruf ca. sieben Jahre beträgt – von möglichen 40 Arbeitsjahren.“ Die Abbruchquote in der Pflegeausbildung liege mit ca. 30 Prozent weit über dem Durchschnitt anderer Ausbildungsberufe.
Ausbildende Betriebe stehen nach Auffassung der Gewerkschafterin Manuela Konrath klar in der Verantwortung: „Es benötigt genügend qualifiziertes Personal und die notwendigen zeitlichen Ressourcen, um die Auszubildenden zu begleiten, dem Ausbildungsstand entsprechend anzuleiten und das Gelernte zu überprüfen. Wenn allerdings die Personaldecke nicht einmal für die adäquate Versorgung von Patientinnen und Patienten ausreicht, dann lässt sich die qualifizierte Ausbildung unseres Pflegenachwuchses kaum sicherstellen.“ Nur wenn es gelinge, Pflegeausbildung auf höchstem Niveau sicherzustellen, könne es auch in Zukunft qualifizierte und professionelle Pflege geben.
Die stellvertretende BB-Vorstandsvorsitzende Clarissa Fritze genannt Grußdorf pflichtet ihrer Kollegin bei: „Damit die Pflegeauszubildenden überhaupt die notwendige Expertise erlangen, müssen die verantwortlichen Akteure der Politik dringend mehr liefern als halbgare Kampagnen wie die ,Ehrenpflegas’. Denn man begeistert keine Menschen für eine Karriere in der Pflege, wenn die Einrichtungen die Rahmenbedingungen der Ausbildung nicht gewährleisten können. Daran hat leider auch die Reform der Pflegeausbildung bis heute nichts geändert.“ Die politischen Akteure müssten endlich erkennen, dass ein Berufsstand nur professionell bleibe, wenn die Rahmenbedingungen der Ausbildung verbessert und professionalisiert werden.
„In die Ausbildung investiertes Geld ist also sinnvoll investiertes Geld“, unterstreicht Fritze genannt Grußdorf. „Vor der nächsten 700.000-Euro-Werbekampagne wie den missglückten ,Ehrenpflegas’ sollten Pflegefachleute und Praxisanleitende befragt werden, was mit einem derartigen Budget in der praktischen Pflegeausbildung geleistet werden könnte.“